Ministerialentwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozessordnung, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Sachverständigen- und Dolmetschergesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz, das E-Commerce-Gesetz und das Strafvollzugsgesetz geändert werden (Zivilverfahrens-Novelle 2021 – ZVN 2021)
I. Gesetzliche Begleitregelungen zur vollständigen digitalen Aktenführung bei Gericht
Die Digitalisierung schreitet in allen Lebensbereichen – Bevölkerung und Wirtschaft gleichermaßen umfassend – unaufhaltsam voran. In zunehmendem Maße wird auch von der Justiz ein Angebot an digitalen Leistungen erwartet. Mit der Initiative Justiz 3.0. wird die digitale Akten- und Verfahrensführung bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften betrieben. Mit der Novelle sollen die erforderlichen gesetzlichen Begleitregelungen geschaffen werden. Die Umstellung soll nach den geltenden Verfahrensgesetzen und Verfahrensgrundsätzen und ohne den Rechtsschutz oder sonst die Qualität des Verfahrens zu verringern, erfolgen. Es werden daher für die einzelnen Problemstellungen Lösungen vorgeschlagen, welche die für die Papierwelt getroffenen Richtungsentscheidungen „übersetzen“ und nicht durch ein anderes Verfahrensregime ersetzen. Dort, wo die digitale Aktenführung Sonderregelungen erfordert, wie dies etwa bei der Unterschriftsleistung der Fall ist, werden neue Regelungen geschaffen, die parallel zu den auf Papier geführte Akten für digital geführte Akten gelten.
Weitere Sonderregelungen, die ausschließlich für die digitale Aktenführung von Bedeutung sind, betreffen den Umgang mit Papierstücken, die in den digital geführten Akt Eingang finden sollen. Regelungen sind auch für diejenigen Papierstücke oder Gegenstände erforderlich, die nicht eingescannt oder sonst in ein elektronisches Dokument umgewandelt werden können. Auch die digitale Akteneinsicht (§ 89i GOG) wird neu geregelt.
II. Änderungen im Gebühren- und Einbringungsrecht
Es sollen die so genannten „Kopiergebühren“ für Gerichtsakten neu und fair geregelt werden. Die bisherigen Regelungen bauen noch auf der analogen Welt auf; so wurde bisher die Gebühr nach Seiten bemessen. In Zukunft soll für elektronische Kopien, die auf Datenträger übergeben werden, ein neuer, nach Datenvolumen gestaffelte Gebührenansatz zur Anwendung kommen, der überhöhte Vorschreibungen vermeidet. Für die Akteneinsicht im Wege der „Abfrage“ werden keine Gebühren mehr fällig. Zudem soll in Zukunft in einigen Fällen auf die Vorschreibung von „Kopiergebühren“ gänzlich verzichtet werden können.
Außerdem sollen Doppelgleisigkeiten bei der Einbringung von Gebühren, Geldstrafen und Kosten abgeschafft werden. In der Vergangenheit kam es dann, wenn bereits ein Gericht eine Geldforderung vorgeschrieben hat, zu einer „doppelten“ Einforderung mittels Bescheid (Zahlungsauftrag). Dieser zusätzliche Verwaltungsbescheid soll in Hinkunft entfallen.
Die ZVN 2021 enthält auch weitere Erleichterungen bei den Gerichtsgebühren: In bestimmten Fällen soll zur Steigerung eines Anreizes, Vergleiche abzuschließen, die Gerichtsgebühr halbiert werden. Weiters soll klargestellt werden, dass Kinder- und Jugendwohlfahrtsträger in jenen Fällen von der Gebühr befreit sind, in denen sie eine übergegangene Unterhaltsforderung geltend machen. Außerdem soll klargestellt werden, dass bei Erwachsenenvertretern die Umsatzsteuer nicht in die Bemessungsgrundlage der Gerichtsgebühr einzubeziehen ist.
In Ergänzung zu den gebührenrechtlichen Bestimmungen werden auch in der Zivilprozessordnung Änderungen bei den Bestimmungen über die Verfahrenshilfe und die psychosoziale Prozessbegleitung getroffen.
III. Änderungen im gerichtlichen Sachverständigenwesen
Im Sachverständigen- und Dolmetschergesetz sollen die Regelungen zum Ausweis der Sachverständigen und Dolmetscher überarbeitet werden. Einer der wesentlichsten Punkte ist hier die Nutzung des Konzepts des elektronischen Identitätsnachweises (E-ID) nach dem E-Government-Gesetz auch für diese Ausweise, gleichzeitig soll es bei dieser Gelegenheit auch zu gewissen kosten- und gebührenmäßigen Erleichterungen für die Sachverständigen und Dolmetscher kommen.
IV. Sonstige Änderungen / Rechtsbereinigung
- Schaffung neuer Gerichtsstände für Persönlichkeitsrechtsverletzungen und für Ansprüche aus der Fluggastrechte-VO,
- die Modernisierung der Bestimmungen über die Bestellung der fachmännischen (in Hinkunft: fachkundigen) Laienrichter in Handelssachen und Übernahme in die JN (derzeit im GOG und in einer VO aus dem Jahr 1897 geregelt)
- Erweiterung der für ein strittiges Trennungsverfahren gewährten Verfahrenshilfe auf das einvernehmliche Trennungsverfahren
- Die Ermöglichung von mündlichen Verhandlungen mittels Videotechnologie
- Übernahme des Inhalts der Kaiserlichen Verordnung vom 14. Dezember 1915 über die Abfassung und Unterfertigung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Strafsachen und von Protokollen bei dauernder Verhinderung des Richters oder des Schriftführers in die Zivilprozessordnung sowie die Richtigstellung von Zitaten
Die Begutachtungsfrist endet am 5. September 2021.
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