Opferrechte nach der Zivilprozessordnung
Einstweilige Verfügung zum Schutz vor Gewalt in Wohnungen
Für einen längerfristigen Schutz kann beim örtlich zuständigen Bezirksgericht eine einstweilige Verfügung beantragt werden.
Das ist möglich, wenn das weitere Zusammenleben zwischen dem Gewaltopfer und dem:der Täter:in unzumutbar ist, zum Beispiel wegen
- eines körperlichen Angriffs (= jede gezielte Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit des betroffenen Familienmitgliedes; die körperliche Beeinträchtigung muss nicht zu einer Verletzung oder Gesundheitsschädigung des Gewaltopfers geführt haben; zudem kann bereits ein einmaliger und nicht weiter schwerwiegender Vorfall ausreichen),
- einer Drohung mit einem solchen oder
- eines die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigenden Verhaltens (zu denken ist hier an Verhaltensweisen, die mit „Psychoterror“ umschrieben werden, sofern sie eine Schwere erreichen, die die Ausweisung der Antragsgegner:innen aus der Wohnung angemessen erscheinen lässt. Es kommt dabei auf subjektive, nicht auf objektive Kriterien an; nicht das Empfinden eines Durchschnittsmenschen gibt den Ausschlag, sondern die Wirkung eines bestimmten Verhaltens gerade auf die Psyche der Antragsteller:innen.
Wird die einstweilige Verfügung bewilligt, muss die gefährdende Person die Wohnung oder das Haus verlassen und darf bis zu einer Dauer von 6 Monaten nicht in die unmittelbare Umgebung des Wohnbereichs zurückkehren. Über diese Anträge entscheiden die Gerichte sehr rasch in einem beschleunigten Verfahren: Dem Gericht steht der Polizeibericht über die Wegweisung zur Verfügung und nach § 382f Abs. 2 Exekutionsordnung ist von der Anhörung der Antragsgegner:innen vor Erlassung der einstweiligen Verfügung abzusehen, wenn eine weitere Gefährdung durch diese unmittelbar droht. Im Vorfeld kann die Polizei bereits ein auf zwei Wochen befristetes Betretungs- und Annäherungsverbot aussprechen (§ 38a SPG). Wird der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung innerhalb dieses Zeitraums gestellt, wird dieses Verbot auf längstens vier Wochen ausgedehnt und mit einer Gerichtsentscheidung ist in der Regel innerhalb dieser Frist zu rechnen.
Ein Antrag auf einstweilige Verfügung kann auch ohne vorheriges Einschreiten der Polizei gestellt werden. Gefährdete Personen können sich bei einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zum Schutz vor Gewalt (§§ 382b, 382c) oder zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre (§ 382d) durch eine Opferschutzeinrichtung vertreten lassen (§ 382f EO).
Die einstweilige Verfügung nach § 382b EO kann gemeinsam mit einer Verfügung nach § 382c EO beantragt und erlassen werden. Eine Verfügung nach § 382c EO verbietet einer gefährdenden Person für die Dauer von höchstens einem Jahr, sich an bestimmten Orten aufzuhalten und Kontakt zum:zur Antragsteller:in herzustellen.
Das Verbot des Aufenthalts an bestimmten Orten und der Auftrag zur Vermeidung des Zusammentreffens nach § 382c EO sollen die gefährdete Person außerhalb der Wohnung und insbesondere auch an Orten, an denen sie sich regelmäßig aufhält, von einem gewalttätigen, drohenden oder psychisch erheblich belastenden Verhalten des:der Antragsgegner:in schützen.
Wenn Kinder betroffen sind, deren Wohl gefährdet ist, gibt § 211 Abs. 2 ABGB der Kinder- und Jugendhilfe als Vertreterin für Minderjährige die Möglichkeit, für diese einen Antrag auf einstweilige Verfügung nach § 382b, § 382c sowie § 382d EO zu stellen. Dies unter der Voraussetzung, dass der:die sonstige gesetzliche Vertreter:in (idR ein Elternteil) einen erforderlichen Antrag nicht unverzüglich gestellt hat.
Prozessbegleitung
Betroffene von Gewaltdelikten haben Anspruch auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung im Strafverfahren, die in § 66b StPO geregelt ist bzw. auf psychosoziale Prozessbegleitung im Zivilverfahren (§ 73b ZPO). Die psychosoziale Prozessbegleitung bedeutet, dass Betroffene auf die seelischen Belastungen des Prozesses vorbereitet und zu Vernehmungen im Ermittlungs- und Hauptverfahren begleitet werden. Die juristische Prozessbegleitung dient der Durchsetzung der Rechte der Betroffenen im Zuge der rechtlichen Beratung und Vertretung durch einen Rechtsanwalt.
Das Paket gegen Gewalt und Hass im Netz hat auch zu einer Ausweitung der psychosozialen und juristischen Prozessbegleitung für Betroffene geführt. Da derartige Taten und ihre Aufklärung im Rahmen eines Strafverfahrens oft außerordentlich belastend sind, wurde auch für diese Opfer die Möglichkeit einer professionellen Unterstützung und Beratung geschaffen. Damit können die Kosten einer Rechtsvertretung entfallen und es sinkt die potenzielle Hemmschwelle, bei Gericht ihr:sein Recht durchzusetzen. Diesem Zweck dient auch die mit dem Gesetzespaket geschaffene Möglichkeit der erleichterten Ausforschung von Täter:innen bei bestimmten Privatanklagedelikten und der Entfall des Kostenrisikos für Opfer in solchen Fällen im Falle eines Freispruchs oder einer Einstellung des Verfahrens. So wird der Opferschutz im Prozess gestärkt.
Konkret wurde die psychosoziale und juristische Prozessbegleitung auf minderjährige Zeuginnen:Zeugen von Gewalt im sozialen Nahraum und Opfer „typischer“ Hass-im-Netz-Delikte (wie beispielsweise Cybermobbing und Stalking) ausgeweitet. Dabei handelte es sich um langjährige Forderungen der Opferschutzeinrichtungen, die mit diesem Paket realisiert wurden. Vielfach sind es Kinder und Jugendliche, die Zeuginnen:Zeugen von häuslicher Gewalt werden. Es ist also besonders wichtig, dass sie Unterstützung erhalten.
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