A-Z des Erwachsenenschutzrechts Hier finden Sie eine Sammlung wichtiger Begriffe und Erklärungen, die eine erste Orientierungshilfe zum Erwachsenenschutzrecht geben können.
Die Abklärung, auch Clearing genannt, muss vor der gerichtlichen Bestellung einer Erwachsenenvertreterin bzw. eines Erwachsenenvertreters durchgeführt werden. Mitarbeiter:innen der Erwachsenenschutzvereine klären hier im Auftrag des Gerichts die Lebenssituation der erwachsenen Person ab und versuchen vor allem herauszufinden, ob Alternativen zur gerichtlichen Erwachsenenvertretung bestehen (Unterstützung durch das persönliche Umfeld, soziale Dienste etc.) oder andere Formen der Erwachsenenvertretung möglich sind. Dazu müssen sie mit der betroffenen Person und allenfalls auch mit ihrem Umfeld reden. Sie verfassen abschließend einen Bericht über die soziale Situation und ihre Erhebungen und leiten diesen dem Gericht weiter. Das Gericht entscheidet dann unter anderem auf Basis dieser Grundlagen und auch nach einem eigenen persönlichen Eindruck (Erstanhörung), ob und in welchem Umfang eine Vertretung notwendig ist. Das Verfahren kann auch eingestellt werden. Auch in anderen Verfahrensschritten kann oder muss ein Clearing durchgeführt werden, zum Beispiel vor der gerichtlichen Genehmigung einer dauerhaften Wohnortveränderung.
Ein Beschluss ist eine gerichtliche Entscheidung, zum Beispiel über die Bestellung einer gerichtlichen Erwachsenenvertreterin bzw. eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters. Ab Rechtskraft des Beschlusses, das heißt sobald die Entscheidung nicht mehr mit Rechtsmitteln bekämpft werden kann (zumeist weil die Rechtsmittelfrist verstrichen ist), entsteht die Vertretungsbefugnis der gerichtlichen Erwachsenenvertreterin bzw. des gerichtlichen Erwachsenenvertreters.
Unter der Entscheidungsfähigkeit versteht man die Fähigkeit, die Bedeutung und die Folgen seines Handelns im jeweiligen Zusammenhang zu verstehen, seinen Willen danach zu bestimmen und sich entsprechend zu verhalten. Sie wird im Zweifel bei Volljährigen vermutet. Sie ist die Voraussetzung für die Handlungsfähigkeit. Ein Beispiel: Ein Patient mit psychischer Erkrankung muss an seiner Lunge behandelt werden. Dazu bedarf es seiner Einwilligung. Hier muss der Patient verstehen, was eine Lunge ist, was bei dem medizinischen Eingriff passiert und welche Folgen die Operation oder die Unterlassung haben kann. Es geht jeweils darum, im Kern zu verstehen, worum es bei einer Entscheidung geht und dass sich die Person auch zu einer Entscheidung durchringen kann (und nicht etwa durch große Ängste daran gehindert wird).
Geminderte Entscheidungsfähigkeit liegt vor, wenn eine Person noch in Grundzügen versteht, was sie tut. Sie genügt als Voraussetzung für die gewählte Erwachsenenvertretung.
Eine Erstanhörung muss das Gericht vor der Bestellung einer Erwachsenenvertreterin bzw. eines Erwachsenenvertreters vornehmen. Das bedeutet, das zuständige Gericht muss sich von der betroffenen Person einen persönlichen Eindruck verschaffen. In der Regel wird die Person vom Gericht zu einem Termin eingeladen.
Das sind Vereine, die zahlreiche beratende und abklärende Aufgaben im Erwachsenenschutzrecht übernehmen und von der öffentlichen Hand gefördert werden. In Österreich gibt es vier Erwachsenenschutzvereine, die jeweils regionale Standorte haben. Sämtliche Vertretungsarten – ausgenommen die gerichtliche Erwachsenenvertretung – können nicht nur bei Notariat und Rechtsanwaltskanzlei, sondern auch vor den Erwachsenenschutzvereinen errichtet und registriert werden. Speziell geschulte Mitarbeiter:innen können dort zu Vertretende und Angehörige oder Interessierte beraten und informieren. Die Vereine bieten auch Schulungen für Angehörige an.
Vor jeder gerichtlichen Erwachsenenvertretung führen die Vereine im Bestellungsverfahren im Auftrag des Gerichts eine Abklärung durch.
Die Erwachsenenschutzvereine können auch als gerichtliche Erwachsenenvertretung bestellt werden. Dies soll vor allem in den Fällen geschehen, wo mit der Vertretung besondere Anforderungen verbunden sind. Außerdem vertreten sie in gerichtlichen Genehmigungsverfahren, zum Beispiel bei einer medizinischen Behandlung einer nicht entscheidungsfähigen Person, die Interessen der bzw. des Betroffenen.
In einer Erwachsenenvertreter:innen-Verfügung erklärt eine erwachsene Person schriftlich, dass für die Zukunft eine bestimmte andere Person ihr:e Vertreter:in sein darf oder dass sie diese Person nicht als Vertreter:in einsetzen will.
Voraussetzung für die Errichtung ist zumindest geminderte Entscheidungsfähigkeit. Sie muss vor einer:einem Notar:in, einer Rechtsanwältin bzw. einem Rechtsanwalt oder einem Erwachsenenschutzverein errichtet und im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) registriert werden. Die Erwachsenenvertreter:innen-Verfügung hat Einfluss auf die gesetzliche Erwachsenenvertretung und die gerichtliche Erwachsenenvertretung.
Grundsätzlich vermutet das Gesetz, dass jede volljährige Person (ab 18. Lebensjahr) handlungsfähig ist. Die Handlungsfähigkeit wird auch mit einer Erwachsenenvertretung nicht automatisch eingeschränkt.
Das Gericht kann aber unter bestimmten Voraussetzungen aussprechen, dass bei einer gerichtlichen Erwachsenenvertretung die Wirksamkeit bestimmter rechtsgeschäftlicher Handlungen oder Verfahrenshandlungen von der Zustimmung der Erwachsenenvertreterin bzw. des Erwachsenenvertreters abhängt. Diese Anordnung heißt Genehmigungsvorbehalt und steht im Bestellungsbeschluss oder in einem eigenen Beschluss. Ein Genehmigungsvorbehalt darf nur ausnahmsweise ausgesprochen werden, es muss eine ernstliche und erhebliche Gefährdung vorliegen.
Das für die Erwachsenenvertretung zuständige Gericht wird auch Pflegschaftsgericht genannt. Es ist jeweils jenes Bezirksgericht zuständig, in dem die betroffene Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das ist dort, wo die Person ihren Lebensmittelpunkt hat und sich hauptsächlich aufhält (bei längeren Heim- oder Krankenhausaufenthalten zum Beispiel auch in dieser Einrichtung).
Die Bezirksgerichte bieten in der Regel jeden Dienstag Vormittag Amtstage an, wo konkrete Anträge und Erklärungen eingebracht werden können. Informieren Sie sich bei Ihrem zuständigen Gericht über die jeweiligen Gepflogenheiten.
Das für eine bestimmte Gemeinde zuständige Bezirksgericht finden Sie hier.
Vertretung wird auch Stellvertretung genannt. Ein:e Vertreter:in handelt im Namen der vertretenen Person. Unter gesetzlicher Vertretung sind jene Vertretungsarten zu verstehen, die einer gewissen gerichtlichen Kontrolle unterworfen sind. Dies gilt für die Vorsorgevollmacht (aber sehr eingeschränkt) und für jede Art der Erwachsenenvertretung.
Die gewählte Erwachsenenvertretung ist die zweite Säule im Erwachsenenschutz. Wenn keine Vorsorgevollmacht errichtet wurde oder nicht mehr errichtet werden kann, besteht für eine psychisch kranke oder aus anderen Gründen beeinträchtigte Person, die ihre Angelegenheiten nicht mehr ohne Nachteil für sich selbst besorgen kann die Möglichkeit, eine oder mehrere nahestehende Personen auszuwählen, die für sie bestimmte oder auch Arten von Angelegenheiten erledigen soll(en).
Voraussetzung ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen der vertretenen Person und der von ihr ausgewählten Person sowie die Eintragung im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV). Bei der vertretenen Person muss dafür die geminderte Entscheidungsfähigkeit vorliegen.
Die gesetzliche Erwachsenenvertretung ist die dritte Säule im Erwachsenenschutz. Wenn die psychisch kranke oder vergleichbar beeinträchtigte Person, die ihre Angelegenheiten nicht mehr ohne Nachteil für sich selbst besorgen kann und auch keine gewählte Erwachsenenvertretung bestimmen kann oder will, so können für sie nächste Angehörige in bestimmten Bereichen tätig werden.
Als Angehörige gelten Eltern, Großeltern, erwachsene (Enkel-)kinder, Geschwister, Nichten und Neffen, Ehegattinnen und Ehegatten, eingetragene Partner:innen oder Lebensgefährt:innen im gemeinsamen Haushalt und Personen aus einer Erwachsenenvertreter-Verfügung.
Die gesetzliche Erwachsenenvertretung entsteht mit Eintragung im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV). Die Angehörigen sind in den Bereichen, die ausgewählt werden, vertretungsbefugt. Diese Vertretungsart ist zeitlich befristet auf drei Jahre, kann aber erneut eingetragen werden. Die vertretene Person kann der gesetzlichen Erwachsenenvertretung jederzeit widersprechen. Der Widerspruch muss auch im ÖZVV eingetragen werden. Der eingetragene Widerspruch beendet die Vertretungsbefugnis bzw. hindert deren Entstehung.
Die gerichtliche Erwachsenenvertretung ist die vierte Säule im Erwachsenenschutz. Wenn die Voraussetzungen für die gewählte oder gesetzliche Erwachsenenvertretung nicht vorliegen oder diese Vertreter:innen nicht ausreichend für die Person tätig sind oder sein können, muss das Gericht für die psychisch kranke oder vergleichbar beeinträchtigte Person, die ihre Angelegenheiten nicht mehr ohne Nachteil für sich selbst besorgen kann, eine geeignete Person als gerichtliche:n Erwachsenenvertreter:in bestellen.
Dies kann nur für bestimmte gegenwärtig zu besorgende oder Arten von Angelegenheiten, die aktuell zu besorgen sind, ausgesprochen werden. Ein:e Erwachsenenvertreter:in kann nicht pauschal für alle Angelegenheiten bestellt werden. Die Vertretung ist auf drei Jahre befristet. Sie kann bei Vorliegen der Voraussetzungen auch erneuert werden.
Unter der Geschäftsfähigkeit versteht man ganz allgemein die Fähigkeit, Verträge abzuschließen, zum Beispiel eine Jahreskarte für die U-Bahn zu kaufen, einen Mietvertrag zu unterschreiben oder Kleider zu kaufen. Bei Volljährigen (Vollendung des 18. Lebensjahres) wird diese Geschäftsfähigkeit vermutet. Wenn eine Person eine:n Vorsorgebevollmächtigte:n oder eine:n Erwachsenenvertreter:in hat, wird die Handlungsfähigkeit und damit die Geschäftsfähigkeit grundsätzlich nicht eingeschränkt (Ausnahme: Genehmigungsvorbehalt). Trotzdem kann die Person einen Vertrag nur dann selbst abschließen, wenn sie dafür auch entscheidungsfähig ist. Ist das nicht der Fall und hat sie dafür eine:n Vertreter:in, muss dieser zustimmen.
Hinweis: Eine Ausnahme wird für ganz gewöhnliche Alltagsgeschäfte gemacht. Diese gelten unter gewissen Voraussetzungen sogar dann, wenn eine Person nicht entscheidungsfähig war.
Handlungsfähig sein bedeutet, dass jemand im rechtlichen Zusammenhang Rechte und Pflichten durch eigenes Handeln erwerben oder eingehen kann. Die betreffende Person muss dafür entscheidungsfähig sein. Manchmal muss eine Person, damit sie handlungsfähig ist, noch weitere Voraussetzungen erfüllen: also zum Beispiel ein gewisses Alter aufweisen. Die Geschäftsfähigkeit (Fähigkeit, Rechtsgeschäfte abzuschließen), die Ehefähigkeit (Fähigkeit, eine Ehe einzugehen) und die Testierfähigkeit (Fähigkeit, ein Testament zu verfassen) sind besondere Arten der Handlungsfähigkeit.
Jede:r Erwachsenenvertreter:in muss dem Gericht grundsätzlich einmal jährlich schriftlich berichten, wie es um die Lebenssituation der vertretenen Person bestellt ist. Aus dem Bericht soll insbesondere das körperliche und allgemeine Befinden der vertretenen Person hervorgehen, ihr aktueller Wohnort, die Häufigkeit und Gestaltung der persönlichen Kontakte mit der Person sowie Informationen über die besorgten und zu besorgenden Angelegenheiten. Wenn die:der Erwachsenenvertreter:in auch für die finanziellen Angelegenheiten zuständig ist, muss sie:er auch Rechnung legen.
Die Berichtspflichten können vom Gericht eingeschränkt werden. Teilweise sind auch gesetzliche Einschränkungen für Angehörige vorgesehen. Das Gericht kann aber auch spezielle Berichte anfordern, wenn es das für notwendig hält. Für die vertretene Person und die:den Erwachsenenvertreter:in bietet dieser Mechanismus einen guten Rahmen zur Gestaltung der Vertretung. Das Gericht wiederum kann seinen Kontrollaufgaben nachkommen.
Das Österreichische Zentrale Vertretungsverzeichnis, kurz ÖZVV, ist ein elektronisch geführtes Register, in das alle Vertretungsformen verpflichtend einzutragen sind. Die gewählte und die gesetzliche Erwachsenenvertretung entsteht erst mit der Eintragung in dieses Register. In das Register können nur Gerichte und die eintragenden Stellen (Notariat, Rechtsanwaltskanzlei, Erwachsenenschutzverein) sowie Sozialversicherungs- und Sozialhilfeträger Einsicht nehmen. Die vertretene Person und ihre Vertretung können (über die eintragenden Stellen) Einsicht in das ÖZVV nehmen. Alle anderen Stellen bzw. Personen können bei Gericht Auskunft darüber erlangen, ob eine Person eine Vertretung hat und für welche Angelegenheiten. Das Auskunftsverlangen muss schriftlich gestellt werden und einen Nachweis des rechtlichen Interesses enthalten.
Wenn ein:e Erwachsenenvertreter:in auch für finanzielle Angelegenheiten der vertretenen Person zuständig ist, ist sie:er verpflichtet, zu Beginn und am Ende der Vertretung den Vermögensstand schriftlich festzuhalten und auch laufend Rechnung zu legen. Letzteres bedeutet, dass sie:er in vom Gericht zu bestimmenden Zeiträumen (von je maximal drei Jahren) schriftlich die Ein- und Ausgaben auflisten und allenfalls die Rechnungen vorlegen muss. Das kann auch gemeinsam mit dem Lebenssituationsbericht gemacht werden.
Das Gericht kann so die Gebarung überwachen und, wenn der vertretenen Person Nachteile drohen, Aufträge erteilen oder sonstige Maßnahmen setzen. Das Gericht kann die Berichtspflichten einschränken; für bestimmte Angehörige sind überdies gesetzliche Ausnahmen von der laufenden Rechnungslegung vorgesehen. Trotzdem ist jede Vertretungsperson verpflichtet, die Rechnungen und Belege aufzubewahren und dem Gericht Veräußerungen und Erwerbe von über 15.000 Euro mitzuteilen. Zu beachten sind außerdem gerichtliche Vertretungshandlungen im außerordentlichen Wirtschaftsbetrieb sowie vor der Entgegennahme von Zahlungen über 10.000 Euro.
Eine für die Erteilung einer Vollmacht entscheidungsfähige Person kann jederzeit festhalten, wer nach Verlust ihrer Handlungsfähigkeit für sie als Bevollmächtigte:r auftreten darf. Es können auch mehrere Personen bevollmächtigt werden. Die Vollmacht muss bei einer der eintragenden Stellen (Notariat, Rechtsanwaltskanzlei oder Erwachsenenschutzverein) schriftlich errichtet und im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) registriert werden. Sie gilt ab Eintragung des Eintritts des Vorsorgefalls im ÖZVV, also sobald die Person die Entscheidungsfähigkeit für die von der Vorsorgevollmacht umfassten Angelegenheiten verliert (zum Beispiel wegen fortgeschrittener Demenz, Koma).
Die Vollmacht kann so wie jede andere Vollmacht jederzeit widerrufen werden. Der Widerruf muss eingetragen werden. Das Wichtigste in aller Kürze:
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Im Zeitpunkt der Errichtung muss noch die erforderliche Entscheidungsfähigkeit gegeben sein (Vorsorgeinstrument).
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Umfang und Personen können von der errichtenden Person bestimmt werden: Jede Vorsorgevollmacht ist anders.
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Ab Eintragung des Verlusts der Entscheidungsfähigkeit im ÖZVV ist der Vorsorgebevollmächtigte vertretungsbefugt.
Dabei handelt es sich um jene Angelegenheiten oder Arten von Angelegenheiten, für die ein:e Erwachsenenvertreter:in oder ein:e Vorsorgebevollmächtigte:r zuständig ist. Für alle Handlungen und Entscheidungen, die zu diesen Angelegenheiten gehören, kann sie:er Vertretungshandlungen setzen.
Wenn zum Beispiel für A eine gerichtliche Erwachsenenvertreterin B für den Abschluss eines Heimvertrags bestellt ist, kann B daher den Heimvertrag unterschreiben. Das zählt zu ihrem Wirkungsbereich. B kann aber nicht in eine medizinische Behandlung einwilligen, wenn A nicht mehr entscheidungsfähig ist. Dafür ist B nicht zuständig.