Reformpaket: Erstmals wesentliche Veränderungen im Maßnahmenvollzug seit 50 Jahren
Justizministerin Alma Zadić präsentiert Maßnahmenvollzugsreform
„Der heutige Tag ist ein historischer. Seit fast 50 Jahren ist der Maßnahmenvollzug in Österreich in seinem Kernbestand unverändert. Heute bringen wir eine umfassende und tiefgreifende Reform des Maßnahmenvollzugs auf den Weg.“, so Alma Zadić im Rahmen der vergangene Woche gehaltenen Pressekonferenz zum Thema Maßnahmenvollzugsreform.
Der Zweck des Maßnahmenvollzugs ist es, dass Menschen, die wegen einer psychischen Erkrankung gefährlich sind und eine Straftat begangen haben, angemessen untergebracht und therapiert werden. Aufgrund der in den vergangenen Jahren unterbliebenen Reformen, kam es im Maßnahmenvollzug jedoch zu schwerwiegenden Defiziten. So sind beispielsweise etwa 40% der aktuell untergebrachten Personen aufgrund eines minderschweren Delikts untergebracht. Außerdem wurden Jugendliche gleich behandelt wie Erwachsene und durch eine Unterbringung oftmals ihrer Chancen und Perspektiven für ihr weiteres Leben beraubt. Situationen, die auch bei vielen Expert*innen und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Kritik führten.
Das Justizministerium nahm sich dieser Kritik an und legte die - so dringend notwendige – Maßnahmenvollzugsreform vor.
Der erste Teil der Reform zielt insbesondere darauf ab, Unterbringungsvoraussetzungen treffsicherer zu formulieren. So wurde als neue Untergrenze die Begehung einer Straftat formuliert, die mit mehr als drei Jahren Haftstrafe bedroht ist. Mit einer wichtigen Ausnahme: Falls eine besonders hohe Gefährlichkeit von Täter*innen für die Rechtsgüter Leib, Leben, sexuelle Integrität und sexuelle Selbstbestimmung vorliegt, ist eine Unterbringung auch wegen Straftaten möglich, die mit 1-3 Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind.
Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis 21 Jahren soll es nur mehr bei Kapitalverbrechen zu einer Unterbringung kommen und eine lebenslange Unterbringung aufgrund einer Drohung oder Rauferei verhindert werden.
Die neue Regelung hinsichtlich verurteilter Terrorist*innen ist an den schon bestehenden Maßnahmenvollzug für gefährliche Rückfallstäter*innen angelehnt und sieht vor, dass die Anlasstat ein „Terrordelikt“ mit einer Verurteilung zu mindestens 18 Monaten Freiheitsstrafe sein muss. Zudem ist eine schwere Vortat mit einer Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als 12 Monaten und die Befürchtung, dass weitere solche Straftaten mit schweren Folgen begangen werden, erforderlich.
Schwerpunkte des zweiten Teils der Reform stellen insbesondere die Erweiterung des Therapieangebots für Untergebrachte, die Schaffung adäquater und ausreichender Nachbetreuungseinrichtungen und die Verbesserung des Rechtsschutzes untergebrachter Personen dar. Auch Erwachsenenschutzvereine sollen in Zukunft Betroffene vertreten und Betroffenen während der gesamten Dauer der Unterbringung als Ansprechpartner*innen zur Seite stehen. Darüber sieht der zweite Teil der Reform vor, dass die mittlerweile veraltete und überholte Sprache bzw. Begrifflichkeiten geändert werden. Sprache beeinflusst das Denken der Gesellschaft und soll deshalb zeitgemäß und integrativ sein.
Der erste Teil der Reform geht nun in die sogenannte „Begutachtungsphase“ und es können Stellungnahmen abgegeben werden. Der zweite Teil wird nun legistisch im Justizministerium finalisiert und anschließend in Begutachtung geschickt.
Justizministerin Alma Zadić betont: „In Zukunft werden Personen, die eine echte Gefahr für die Gesellschaft darstellen, weiterhin zuverlässig untergebracht und betreut werden. Zugleich werden nicht gefährliche Personen nicht mehr im Maßnahmenvollzug untergebracht werden. Mit der Reform erhöhen wir die Sicherheit unserer Gesellschaft und machen den Maßnahmenvollzug menschenrechtskonformer“.